Angabe einer Mehrwertdienstnummer im Impressum ist unzulässig

OLG Frankfurt am Main · Urteil vom 2. Oktober 2014 – 6 U 219/13

Die Angabe einer Mehrwertdienstnummer im Impressum, deren Nutzung Kosten in Höhe von 2,99 EUR für Anrufe aus dem Mobilfunknetz verursacht, verstößt gegen die Pflicht des Dienstanbieters, einen effizienten Kommunikationsweg zu eröffnen.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 2. 10. 2013 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main (Az.: 2 – 3 O 445/12) wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien betreiben Internetversandhandel und vermarkten eine Vielzahl unterschiedlicher Produkte, darunter Fahrradanhänger.

Die Beklagte bietet ihre Produkte u. a. unter der Domain http://….de an. Unter dieser Internetadresse gibt die Beklagte im Rahmen des Impressums ihren Namen, ihre Rechtsform, Anschrift und Vertretungsberechtigten an und führt als Telefonnummer eine kostenpflichtige Mehrwertdienstnummer auf, bei der Kosten von 49 Cent pro Minute aus dem Festnetz und bis zu 2,99 € pro Minute aus dem Mobilfunknetz anfallen. In der Rubrik „Kontakt“ wird zum einen auf eine E-Mail-Adresse und zum anderen auf die o. g. kostenpflichtige Mehrwertdienstnummer verwiesen (Anlage K 1 – Bl. 23 der Akten). Ein Kontaktformular ist nicht hinterlegt; vielmehr erfolgt eine Verlinkung auf das E-Mail-Programm des Nutzers.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte verstoße gegen § 5 Abs. 1 Nr. 2 des Telemediengesetzes (im Folgenden TMG). Diese Vorschrift verpflichte den Diensteanbieter, den Benutzern der Dienste neben seiner Adresse der elektronischen Post einen weiteren schnellen, unmittelbaren und effizienten Kommunikationsweg zur Verfügung zu stellen. Die Übermittlung zusätzlicher Informationen entspreche jedenfalls dann, wenn sie wie vorliegend kostenpflichtig ist, nicht den Bedürfnissen bzw. berechtigten Erwartungen des Nutzers. Im Gegenteil sei die Einrichtung eines telefonischen Kontaktes unter einer Mehrwertdienstnummer geeignet, potentielle Nutzer durch die damit verbundenen zusätzlichen Kosten von einer Kontaktaufnahme abzuhalten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen.

Das Landgericht ist der Rechtsauffassung der Klägerin gefolgt und hat die Beklagte verurteilt, es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Rahmen der Anbieterkennzeichnung auf eine kostenpflichtige Mehrwertdienstnummer zu verweisen, wenn dies geschieht wie aus der als Anlage zum Urteil ersichtlichen Form (entspricht Anlage K 1, Bl. 22 der Akten). Die weitergehende Klage auf Auskunft und Schadensersatz ist abgewiesen worden.

Zur Begründung der Verurteilung hat das Landgericht ausgeführt, die Angabe einer Mehrwertdienste(telefon)nummer könne keine unmittelbare und effiziente Kommunikation zwischen Nutzer und Diensteanbieter ermöglichen. Dies gelte namentlich dann, wenn wie hier Kosten entstünden, die am obersten Rand der noch zulässigen Höchstpreise gem. § 66d TKG lägen, denn dadurch könnten die Nutzer wegen der damit verbundenen Kosten von einer Kontaktaufnahme abgehalten werden. Das Merkmal der Effizienz sei vor allem an den Bedürfnissen und berechtigten Erwartungen des Verbrauchers zu messen. Diese hätten ein legitimes Interesse daran, im Rahmen einer telefonischen Kontaktaufnahme nicht mit erheblichen Kosten belastet zu werden.

Aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 16. 10. 2008 (Az.: C-298/07 = NJW 2008, 3558 – Internet Versicherung) könne die Beklagte ihren Rechtsstandpunkt nicht herleiten, denn in dieser Vorlageentscheidung habe sich der EuGH zu dieser Frage nicht geäußert. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Urteilsgründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

Die Beklagte hat gegen das Urteil Berufung eingelegt, mit der sie ihr erstinstanzliches Ziel der Klageabweisung weiterverfolgt. Sie wirft dem Landgericht vor, verkannt zu haben, dass das Merkmal der Ermöglichung einer „effizienten Kommunikation“ in der dem § 5 Abs. 1 Nr. 2 TMG zu Grunde liegenden Bestimmung des Art. 5 Abs. 1 lit. c) der Richtlinie 2000/31/EG über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft (E-Commerce – Richtlinie) ausschließlich nach zeitlichen Aspekten zu beurteilen sei. Dies habe der Europäische Gerichtshof in seiner o. g. Entscheidung klargestellt. Das Merkmal der Ermöglichung einer „effizienten Kommunikation mit den Diensteanbieter“ beziehe sich auf die Ermöglichung der Erlangung der Kommunikationsleistung des Diensteanbieters, also auf dessen Antwort auf eine entsprechende Anfrage der Interessenten. Dies sei bei telefonischen Anfragen immer möglich.

Hilfsweise verlangt die Beklagte, dass der Unterlassungstenor auf das konkrete Wettbewerbsverhältnis der Parteien, nämlich auf den Internet-Versandhandel mit Fahrradanhängern beschränkt wird.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

II.

Das Rechtsmittel der Beklagten hat keinen Erfolg, denn das Landgericht hat sie mit Recht verurteilt, im Rahmen der Anbieterkennzeichnung auf eine kostenpflichtige Mehrwertdienstnummer zu verweisen, wenn diese wie im Impressum ihres Internetauftrittes in der Anlage K 1 zur Klage geschieht. Der Unterlassungsanspruch der Klägerin folgt aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3, 4 Nr. 11, 5a Abs. 2, Abs. 4 UWG i. V. m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 TMG.

Der Senat folgt dem Landgericht und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung. Die Ausführungen der Beklagten in der Berufungsbegründung rechtfertigen keine davon abweichende Beurteilung:

1.

§ 5 Abs. 1 S. 2 TMG sieht vor, dass bei der Kennzeichnung des Anbieters von Telemedien, d. h. beim sog. Impressum, Angaben stehen müssen, die eine schnelle elektronische Kontaktaufnahme und unmittelbare Kommunikation mit dem Diensteanbieter ermöglichen, einschließlich der Adresse der elektronischen Post. Weder diese Vorschrift noch die ihr zugrunde liegende Bestimmung in Art. 5 Abs. 1 lit. c) der Richtlinie 2000/31/EG verlangt nach ihrem Wortlaut die Angabe einer Telefonnummer, unter der der Diensteanbieter erreichbar ist. Ebenso wenig verlangen diese Bestimmungen, dass die Kontaktaufnahmemöglichkeit für den Nutzer kostenlos wäre (vgl. Spindler in: Spindler/Schmitz/Geis, TDG 2004, Rn 26 zu § 6 TDG).

Maßgeblich ist nach den Vorgaben des EuGH in der o. g. Entscheidung, dass der Nutzer Angaben erhält, die es ihm ermöglichen, schnell mit dem Diensteanbieter Kontakt aufzunehmen und unmittelbar und effizient mit ihm zu kommunizieren, was wiederum voraussetzt, dass der Nutzer ohne die Einschaltung eines Dritten mit dem Anbieter kommuniziert („unmittelbar“) und dass er angemessene Informationen innerhalb einer Frist erhält, die mit seinen Bedürfnissen und Erwartungen vereinbar ist („effizient“ – EuGH aaO. Tz. 29 – 30).

Entgegen der Auffassung der Beklagten hat der Europäische Gerichtshof in dieser Entscheidung nicht verbindlich vorgegeben, dass die vom Diensteanbieter für eine Kontaktaufnahme geforderten Kosten für die Frage einer effizienten Kommunikation völlig außer Betracht bleiben müssen. Diese Frage war dem EuGH in der Vorlageentscheidung vom Bundesgerichtshof mit Rücksicht auf die dortige Fallgestaltung gar nicht gestellt worden (Beschluss vom 26. April 2007 – I ZR 190/04 = GRUR 2007, 723 – Internet- Versicherung) und wird dementsprechend in der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs auch nicht angesprochen.

Der Europäische Gerichtshof hat lediglich klargestellt, dass eine telefonische Kommunikation (dem Grunde nach) als eine unmittelbare und effiziente Kommunikation angesehen werden kann, weil sie die oben genannten Kriterien erfüllt (aaO. Tz. 28). Davon zu trennen ist aber die Frage, ob die mit einer erheblichen Kostenbelastung verbundene telefonische Kontaktmöglichkeit aus Sicht der Verbraucher überhaupt eine realistische Alternative darstellt.

„Effizienz“ beinhaltet vom Wortlaut her sowohl Wirksamkeit als auch Wirtschaftlichkeit (vgl. die Nachweise bei Lorenz VuR 2009, 295, 298). Man kann daher mit Rücksicht auf die wirtschaftspolitischen und verbraucherpolitischen Ziele der E-Commerce-Richtlinie diesen Gesichtspunkt beim Merkmal der „Effizienz“ mit berücksichtigen. Auch die englische („…which allow him to be contacted rapidly and in a direct and effective manner“) und die französische Sprachfassung („…permettant d’entrer en contact rapidement et de communiquer directement et efficacement avec lui“) stehen dieser Betrachtung nicht entgegen. Da die Kosten einer telefonischen Rückfrage eine erhebliche Hürde für viele Verbraucher darstellen und sie u. U. von einer Kontaktaufnahme gänzlich abhalten können, hat das Landgericht mit Recht diese Frage problematisiert.

Das Landgericht hat die Frage, ob die Beklagte dem angesprochenen Verbraucher durch Angabe ihrer Mehrwertdienstnummer eine effiziente Kontaktmöglichkeit eröffnet, angesichts der hier geforderten Kosten mit Recht zulasten der Beklagten beantwortet. Das von der Beklagten geforderte Entgelt liegt an der oberen Grenze der gem. § 66d Abs. 1 TKG für sog. Premium-Dienste zulässigen Verbindungspreise.

Dem Argument der Beklagten, die gesetzliche Obergrenze sei nicht überschritten und deshalb sei eine „effiziente Kontaktaufnahme“ ermöglicht, vermag der Senat nicht zu folgen. Die Mitglieder des Senats gehören selbst zu den angesprochenen Verkehrskreisen und können daher aus eigener Anschauung beurteilen, dass die Telefonkosten von 2,99 €/Minute aus den Mobilfunknetzen geeignet sind, eine erhebliche Anzahl der angesprochenen Kunden von einer telefonischen Kontaktaufnahme „abzuschrecken“. Die damit verbundene Kostenersparnis der Beklagten, die ihr einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den Mitbewerbern verschaffen kann, ebenso wie die Tatsache, dass das Verbindungsentgelt geeignet ist, für die Beklagte eine Neben-Einnahmequelle zu generieren, lässt sich mit den verbraucherpolitischen Zielen von § 5 TMG nicht vereinbaren.

Da sich der Klageantrag gegen die konkrete Verletzungsform richtet, braucht hier nicht entschieden werden, ob die Angabe einer Mehrwertdienstnummer, die mit einem erheblich geringeren Entgelt verbunden ist, mit § 5 TMG vereinbar wäre.

In der Verletzung von § 5 ABs. 1 S. 2 TMG hat das Landgericht mit Recht einen Verstoß gegen § 4 Nr. 11 UWG gesehen. Darüber hinaus ist das Verhalten der Beklagten auch gemäß § 5a Abs. 2, Abs. 4 UWG unlauter, weil dem Verbraucher Informationen vorenthalten werden, die nach dem Unionsrecht geboten sind.

2.

Das Landgericht hat das Verbot mit Recht nicht im Hinblick auf das konkrete Wettbewerbsverhältnis der Parteien beschränkt. Dass die Klägerin Mitbewerberin der Beklagten beim Vertrieb von Fahrradanhängern über das Internet ist, eröffnet ihr die Klagebefugnis gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG, limitiert aber nicht ihren auf das Verbot der konkreten Verletzungsform gerichteten Anspruch. Der sachliche Umfang des Unterlassungsanspruchs richtet sich danach, in welchem Umfang eine Begehungsgefahr besteht, sei es in Form einer Wiederholungs- oder einer Erstbegehungsgefahr (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., Rn 1.52 zu § 8 UWG). Die Wiederholungsgefahr erstreckt sich auf alle kerngleichen Verstöße (BGH GRUR 2000, 907, 909 – Filialleiterfehler).

Da hier eine betriebs- und keine produktbezogene Verletzungshandlung vorliegt, umfasst die Wiederholungsgefahr die gesamte Produktpalette der Beklagten, also nicht nur den Produktbereich, in dem beide Parteien in unmittelbarem Wettbewerb bestehen. Eine Beschränkung des Anspruchs auf diesen Bereich kommt daher nicht in Frage. Dies lässt sich auch aus den Vorgaben schließen, die der Bundesgerichtshof zur Frage der regionalen Reichweite eines Unterlassungsanspruchs aufgestellt hat:

Der Bundesgerichtshof hat einem nur regional tätigen Mitbewerber einen für das gesamte Bundesgebiet geltenden Unterlassungsanspruch zugesprochen, weil der Anspruch dem Wettbewerber nicht nur zum Schutz seiner Individualinteressen, sondern auch im Interesse der anderen Marktbeteiligten und der Allgemeinheit zuerkannt wird (BGH GRUR 1999, 509, 510 – Vorratslücken, vgl. auch Köhler/Bornkamm, UWG aaO., Rn 1.56 zu § 8 UWG).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Den Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit und die Schuldnerschutzanordnungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist zuzulassen, weil der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt. Bislang ist die Frage, ob die Verpflichtung zur Veröffentlichung einer Kontaktmöglichkeit gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 TMG durch eine Mehrwertdienstenummer ermöglicht werden kann, höchstgerichtlich noch nicht entschieden. In der oben zitierten Vorlageentscheidung des BGH wird diese Frage bereits angesprochen, ohne sie endgültig zu klären (aaO. Tz 15 a. E.). In der rechtswissenschaftlichen Literatur wird die Frage ebenfalls dem Grunde nach kontrovers diskutiert (vgl.Lorenz VuR 2009, 295, 297; Ernst jurisPR-ITR 2/2009 Anm. 2).

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